GRUNDLEGENDE METHODEN, TECHNIKEN UND PROGNOSE in der Hellenistischen Astrologie

Es gibt wohl nichts Faszinierenderes und gleichzeitig Bodenständigeres als die uns bisher bekannten Hellenistischen Methoden und Techniken zur Prognose und Deutung der großen Lebenslinien im Horoskop. Dabei handelt es sich vorwiegend um Zeitherrschersysteme, bei denen ein oder mehrere Zeitherrscher die Qualität der Zeit anzeigen, sodass sich sehr schnell für eine bestimmten Lebensabschnitt ermitteln lässt, mit welchen Möglichkeiten der Lebensgestaltung der Horoskop-Eigner zu rechnen hat. Es geht hier weniger um „gute“ oder gar „schlechte“ Zeiten - es geht vor allem um die Frage: „Was kann ich in diesem Zeitabschnitt machen?“, „Wofür ist er geeignet und wofür nicht?“, „Warum ändert sich mein Leben plötzlich? Was kann ich daraus lernen?“, „Warum war mein Projekt nicht erfolgreich?“, „Wann ist der beste Zeitabschnitt für ein erfolgreiches Unternehmen?“, „In welcher Lebensphase befinde ich mich gerade?“….

Es sind Fragen, die sich viele Menschen angesichts Karrierechancen oder anderer persönlicher Angelegenheiten stellen. Mithilfe dieser Methoden aus der Hellenistischen Tradition können sie Antworten erwarten. Der Schwerpunkt liegt hier also nicht so sehr auf exakten Ereignisprognosen, wofür die Stundenastrologie (1) besser geeignet ist, sondern auf Entwicklungen innerhalb des großen Lebensbogens. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, mit den Zeitherrschersystemen „Muster“ (bestimmte sich wiederholende Konstellationen) aufzuspüren, bei deren Wiederholung sich ähnliche Ereignisse auslösen wie vor Jahren, als dasselbe „Muster“ auf der Tagesordnung stand.

Überblick

über die Universellen Techniken

der Hellenistischen Astrologie (nach Chris Brennan, USA) (2)

Unter diesem Begriff vereinigen sich die grundlegenden Techniken der Hellenistischen Astrologie, die uns durch die Übersetzungen aus dem Altgriechischen durch das Project Hindsight (USA) (3) erstmals zugänglich wurden. Dabei liefert uns u.a. die Anthologie von Vettius Valens (2.Jh. nach Chr.) die meisten Informationen (4).

1. Die Nautische Metapher:

In der Hellenistischen Astrologie (HA)  wurde das menschliche Schicksal gerne mit einer Seereise verglichen. Das Horoskop ist das Schiff und seine Symbole und Faktoren repräsentieren die Mannschaft. Das 1. Haus wird auch als Horoskopos bezeichnet. Es ist jenes Zeichen, in dem sich der AC befindet und wird als Ruder bezeichnet. Planeten im 1. Haus „rudern“ mit. Der Herrscher des AC ist der 1. Offizier auf dem Schiff. Er hat den Plan, wohin die Reise geht. Seine Stellung im Horoskop und sein Zustand verraten uns viel über sein nautisches Geschick und die Lebensreise des Horoskop-Eigners. An der Stellung der Planeten kann man sehen, in welchem Ausmaß der Geborene selbst rudert oder sein Lebensweg mehr vom Schicksal bestimmt wird.

2. Die Lospunkte:

Heute bekannt als die „Arabischen Punkte“ bezeichnen sie rechnerische Punkte, die den sieben antiken Planeten zugeordnet sind. Sie spielten in der HA insbesondere bei den Zeitherrscher-Methoden eine große Rolle. Auch die moderne Astrologie verwendet heute noch den sogen. „Glückspunkt“, der in der HA „Pars Fortuna“ genannt wurde und als der wichtigste unter den Lospunkten galt. Im Lichte der Debatte über den wahren Ursprung der HA (der im Dunkeln liegt) dienen sie als Beweis dafür, dass die HA wahrscheinlich ein theoretisches Konstrukt ist.

 

3. Der Fortuna-Tierkreis:

In der HA wurde der Pars Fortuna (PF) bei einigen Techniken als zweiter Aszendent verwendet. Jenes Zeichen, in dem sich also der PF befindet, wurde als Fortuna-AC gesehen. Somit liegt über dem Radix-Tierkreis ein zweiter, der Fortuna-Tierkreis, was bei den Zeitherrscher-Methoden exaktere Aussagen ermöglicht.

 

4. Planeten-Perioden:

Großen Wert wurde auf Planeten-Perioden und ihrer synodischen Zyklen gelegt. Jeder Planet, der seinen Zyklus beendete, bedeutete im Horoskop eine besondere Aktivierung seiner Energie.

 

5. Die Triplizitätsherrscher des Sektionslichtes:

Man bestimmt die Triplizitätsherrscher jenes Zeichens, in dem sich das jeweilige Sektionslicht (Sonne beim Taghoroskop/Mond beim Nachthoroskop) befindet. Die Triplizitätsherrscher gelten als die universellen Unterstützer des Horoskopeigners. Der erste Triplizitätsherrscher vertritt die erste Lebenshälfte, der zweite Triplizitätsherrscher die zweite Lebenshälfte. Beide werden unterstützt vom dritten Triplizitätsherrscher.

 

6. Zeitherrscher:

Ihre Bezeichnung verdanken sie dem Altgriechischen Chronokrator. Es gibt 7 Zeitherrscher-Systeme, die mit dem heute noch gebräuchlichen indischen Dasha-System übereinstimmen. Zeitherrscher sind Planeten, die zu bestimmten Zeiten aktiviert werden und sie zeigen uns an, wann und in welcher Weise bestimmte Potentiale des HE zum Guten oder zum Schlechten ausgelöst werden. Siehe auch Profektionen!

 

7. Zeitherrscher-Techniken:

a) Die Jahresprofektion:

Diese Zeitherrscher-Technik wird auch Jahres-Profektion genannt, Nach dem Schlüssel „1 Haus (GZH!)= 1 Jahr“ wandert die Profektion jedes Jahr in das nächste Haus/Zeichen. Das Haus/Zeichen, in dem sich die Profektion gerade befindet, wird zum Profektions-Aszendenten, der Herrscher dieses Hauses wird als Jahresherrscher bezeichnet. Seine Würde, seine lokale Determination, seine Aspekte, die er empfängt und aussendet, sowie der Jahresherrscher in seiner Rolle als Transitplanet geben uns Auskunft über den qualitativen Verlauf des Jahres und ausgelöste Ereignisse. Startpunkt der Profektion ist meist am AC, beim Sektionslicht oder bei einem bestimmten Haus oder Planeten, abhängig vom zu untersuchenden Thema.

 

b) Zodiakale Aphesis:

Aphesis (Altgriech.) bedeutet „freisetzen, entlassen“, so wie eine Grenze frei gegeben wird oder jemand aus seiner Schuld entlassen wird. Diese weitere Zeitherrscher-Methode wird nur von Vettius Valens (2. Jh. n. Chr.) in seiner „Anthologie“ überliefert. Valens zitiert einen früheren Autoren namens Abraham als Quelle der Technik. Nach einem anderen Schlüssel als bei der Jahresprofektion werden Planetenperioden auf verschiedenen Zeitebenen berechnet. Je nach Thema startet die zodiakale Aphesis bei bestimmten Lospunkten. Am gebräuchlichsten sind dabei der Pars Fortuna (Schicksalspunkt, Bezug zum Körper), der Pars Daimon (Geistpunkt, Bezug zu Motivation, eigener Wille, Lebenswerk, Karriere) und der Pars Eros (Liebes-, Beziehungspunkt). Man ermittelt jene Zeiten, in denen Lebenswenden, Lebensumbrüche und wichtige Höhepunkte in der Lebenslinie sichtbar werden. Auf diese Weise lässt sich leicht feststellen, warum bestimmte Vorhaben derzeit nicht gelingen, bzw. sich der Erfolg plötzlich wie durch ein Wunder einstellt.

Eine genaue Anleitung zur Anwendung dieser Methode, an einem konkreten Beispiel anschaulich demonstriert kann man im neu erschienen Buch des niederländischen Klassischen Astrologen Martien Hermes (5) „Die Lebenslinie im Horoskop“ (6) nachlesen. Erschienen im Chiron-Verlag - sehr zu empfehlen!
Zur Berechnung der Zeitperioden ist das Programm „Zodiacal Releasing 1.5“ von Curtis Manwaring als Freeware im Internet erhältlich und empfehlenswert. (7)

 

8. Ganzzeichenhäuser (GZH):

In der Hellenistischen Astrologie wurden historisch nachgewiesen ausschließlich Ganzzeichenhäuser (GZH) verwendet . D.h. jenes Zeichen, in dem sich der Aszendent (AC) befindet, ist das erste Haus. Das nächste Zeichen ist dann das zweite Haus, usw. Das „Haus“ ist also identisch mit dem Zeichen und hat eine einheitliche Größe von 30°. Die „Häuser“ zeigen Themen und die Qualität planetarer Aktivitäten an. Das ist insbesondere bei den Zeitherrscher-Techniken enorm wichtig. Steht ein Planet z.B. in einem Eckhaus, ist mit sichtbaren Ergebnissen zu rechnen, steht er in einem nachfolgenden Haus, erfolgen die Ergebnisse verzögert und die Stellung in einem fallenden Haus ist immer ein Hinweis auf nicht sichtbare Dinge und Ereignisse.

 

9. Die Hellenistische Aspekt-Lehre im Überblick:

- Hellenistische Astrologen benützten sowohl Aspekte per ganzen Zeichen als auch Aspekte per Kreisgraden mit speziellen Orben.

- Zur Anwendung kommen ausschließlich Aspekte auf Basis regelmäßiger Polygone, also Sextil, Quadrat, Trigon, Opposition und Konjunktion.

Thema Mundi
Thema Mundi

- Die Natur der Aspekte sind abgeleitet vom „Thema Mundi“ (Damit ist ein mythisches Horoskop gemeint, das in der Hellenistischen Ära der Astrologie verwendet wurde. Es zeigt die angenommenen Positionen der 7 sichtbaren Planeten am Beginn des Universums (inkl. Sonne und Mond). Von ihm abgeleitet wurde u.a. die zugrunde liegende Logik hinter der Zeichenherrschaft, den Erhöhungen und der Bedeutung der Aspekte).

- Die Aspekt-Terminologie der HA ist meist visuell konnotiert. Es ist für die Deutung von größter Wichtigkeit, ob die Planeten einander „sehen“ (= Aspekte miteinander bilden) oder nicht.

- Man unterscheidet zwischen den Begriffen „Aspekt“ und „Konfiguration“.

- Planeten, die einander nicht „sehen“ können, stehen in „Aversion“ zueinander. Sie stehen in Zeichen, die nicht miteinander konfiguriert sind. Dadurch können sie ein Thema nicht gemeinsam zur Entfaltung bringen.

- Planeten im selben Zeichen bezeichnet man als ko-präsent. Unabhängig vom Orbis müssen sie zusammen wirken.

 

10. Ergänzende Hinweise und Quellen:

(1) Erik van Slooten (diverse Literaturhinweise des Meisters der Klassischen Astrologie und Stundenastrologie im Menü unter „Literatur“) http://www.erikvanslooten.de/

(2) Chris Brennan, US-Astrologe und Mitübersetzer beim Project Hindsight, Herausgeber zahlreicher Publikationen, Bücher und Kurse in HA

http://www.chrisbrennanastrologer.com/

(3) Project Hindsight - Die Quelle der Hellenistischen Astrologie http://www.projecthindsight.com/index1.html

(4) Vettius Valens, Anthologia, http://www.projecthindsight.com/products/greek%20summaries/valens.html

(5) Martien Hermes http://www.martienhermes.nl/

Niederländischer klassischer Astrologe, Spezialist für Hellenistische Astrologie, zahlreiche Publikationen, Vorträge, Kurse, Literatur siehe im Menü unter „Literatur“

(6) Martien Hermes, „Die Lebenslinie im Horoskop“: Eben erschienen (2013) gibt es erstmals eine genaue Anleitung der Methode Zodiakale Aphesis (nach Vettius Valens, 2.Jh. n. Chr.) am Fallbeispiel Rainer Werner Fassbinder. Übersetzung vom Niederländischen ins Deutsche: Elke Jurasszovich, Verlag Astronova;

(7) Curtis Manwaring: „Zodiacal Releasing 1.5“ Software zur Berechnung der Zeitperioden bei der Aphesis-Methode. Das Programm ist als Freeware im Internet erhältlich:

http://www.astrology-x-files.com/

 

© Elke Jurasszovich

Juni 2013